Tschüss Kindle, hallo Tolino

Nach sechs Jahren Kindle-Benutzung (und ca. drei Hardwaregenerationen) habe ich mich vor ein paar Wochen dazu entschlossen, die Amazon-Welt nun auch als Leser so ziemlich endgültig zu verlassen.

Amazon wurde mir im Laufe der Jahre immer unsympathischer. Zum einen dadurch, dass sie mir alle naselang ihren Prime-Service aufquatschen wollten und dazu mittlerweile nicht mal mehr davor zurückschreckten, Bestätigungsbuttons so zu designen, dass man intuitiv eine eben solche Mitgliedschaft eingeht.

Sinngemäß sah das für mich zuletzt so aus:

⇒ “Klicken Sie hier, um mit Prime zu bestellen”
versus
“Klicken Sie hier, wenn Ihnen egal ist, dass wir mit Ihrem Paket hier im Lager noch drei Tage Fußball spielen und gegebenenfalls Kaffee darüberschütten, müssen Sie ja selber wissen, wie wichtig Ihnen Ihre Bestellung ist, nicht, dass wir Sie nicht gewarnt hätten”.

Dazu kommt, dass mir ständig das für mich absolut nutzlose “kindle unlimited”-Angebot unter die Nase gerieben wurde, bei dem man sich für eine Grundgebühr aus einem nahezu unerschöpflichen Fundus komplett unlesbarer und garantiert niemals lektorierter Schrottliteratur bedienen kann.

Und schließlich habe ich kürzlich durch Zufall erfahren, dass eine kleine sympathische Buchhandlung hier vor Ort mit der eBook-Reader-Plattform “Tolino” zusammenarbeitet, so dass ich weiterhin nicht auf den Komfort eines eReaders verzichten muss und trotzdem die Verkaufsprovision an einen heimischen Betrieb geht. Bislang war ich (fälschlicherweise) davon ausgegangen, dass es den Tolino – der technisch noch am ehesten mit dem Niveau der Kindle-Geräte mithalten kann – nur bei Thalia gäbe, und da kaufe ich grundsätzlich nichts.

Also habe ich mir (in der kleinen sympathischen Buchhandlung) einen Tolino Vision 4 HD nebst Hülle bestellt und lese nun in jeder freien Minute darauf. Auf dem Tolino ist der Webshop dieser kleinen sympathischen Buchhandlung voreingestellt, der Kauf von Büchern und das vorherige Laden von Leseproben funktioniert also völlig reibungslos.

Technisch ist das Gerät zugegebenermaßen nicht ganz so ausgereift wie der Kindle Voyage oder auch der Paperwhite. Insbesondere bei Funktionen wie der Volltextsuche ist der Kindle deutlich reaktionsfreudiger (sprich: schneller) als der Tolino, sowas wie die X-Ray-Funktion gibt es beim Tolino gar nicht erst. Es kommt auch schon mal vor, dass der Tolino eine Weile mit sich selbst beschäftigt ist, insbesondere, wenn man häufig ins Hauptmenü springt oder in rascher Folge hin- und herblättert.

Was das Schriftbild angeht, steht der Tolino dem Kindle allerdings in nichts nach, und ich habe den subjektiven Eindruck, dass ich auf dem Tolino ermüdungsfreier lesen kann, was ich auf die sogenannte “smartLight”-Funktion zurückführe, die dafür sorgt, dass die Hintergrundbeleuchtung im Laufe des Tages (und Abends) immer wärmer wird, also weniger Blauanteil enthält. Der Kindle Voyage, den ich zuletzt verwendete, war da deutlich kälter. Ob das auch meinen Schlaf signifikant beeinflusst hat, kann ich nicht wirklich sagen, das Lesen auf dem Tolino macht jedenfalls auch über mehrere Stunden Spaß.

Der Tolino ermöglicht außerdem, die Leihfunktion der Stadtbüchereien (die sogenannte “Onleihe“) zu benutzen, was ich auch in den letzten Tagen bereits ausgiebig getan habe.

So haben alle was davon: Die Provision für das Gerät und für die Bücher, die es nicht zum Ausleihen gibt, gehen an die lokale Buchhandlung, ich unterstütze guten Gewissens die örtliche Stadtbücherei und habe zugleich fast eine Bücher-Flatrate mit richtigen Titeln und nicht mit diesem selbstverlegten Schmonz, den mir Amazon aufschwatzen will.

Wenn ich wirklich mal in die Bücher schauen möchte, die ich mir irgendwann für den Kindle gekauft habe, kann ich das auf dem Rechner oder dem iPhone machen. Tatsächlich kommt das aber so gut wie nie vor, da ich zu 95% auf dem Kindle nur Romane gelesen habe, und die nehme ich ohnehin selten zwei Mal zur Hand.

Wenn die kleinen sympathischen Buchhandlungen offensiver dafür Werbung gemacht hätten, dass ich dort auch eBooks kaufen kann: Ich wäre vermutlich schon früher gewechselt.

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