Disclaimer (heutzutage braucht man ja sowas):
Dieser Artikel ist von 2006, da war ich knapp über 30 Jahre alt. Es handelt sich um Satire, ist voller Klischees und war unter anderem als lustiger Poetry-Slam-Text gedacht. Heute bin ich selber sog. “Familienvater” und sogar Fahrradbeauftragter (Stand: 04.06.2020), Liegeräder finde ich aber immer noch irgendwie seltsam. Würde ich heute noch so einen Text schreiben? Keine Ahnung, wahrscheinlich nicht, das Poetry-Slammen habe ich ja auch mittlerweile aufgegeben. Lustig finde ich ihn aber immer noch, darum habe ich ihn aus meinem alten Blog mal hier herüber geholt.
Neulich fahre ich mit dem Auto durch eine verkehrsberuhigte Zone, da sehe ich vor dem vorausfahrenden Wagen einen roten, dreieckigen Wimpel an einer 2 Meter langen Stange herumwedeln.
Ich denke mir noch “Was sind das für Eltern, die ihr Kleinkind hier mitten auf der Straße Dreirad fahren lassen?”, da biegt der Vordermann ab, und ich habe freie Sicht auf eine Art Klappstuhl mit Rädern dran. Einen Rollkoffer mit Gangschaltung.
Ein Liegerad.
Genauer gesagt, ein Liegedreirad. Darauf ein Liegedreiradfahrer vom Typ Liegeberufsschullehrer mit Liegehelm, Liegelederaktentasche und Liegedoppelnamen.
“Hans-Peter Nervenarsch-Senkelgänger”, oder so.
Was läuft bei solchen Menschen falsch?
Frauen fahren üblicherweise kein Liegerad, das muß wohl daran liegen, daß sie schon aus genetischen Gründen eher ein Auge für Stil und Geschmack haben.
Betrachten wir also die Männer.
Der echte Mann:
Er fährt mit einem Hollandrad die Einbahnstraße in verkehrter Richtung entlang, einhändig, weil er mit der anderen Hand den Kasten Bier auf dem Gepäckträger festhalten muß. Wenn er überhaupt einen Helm trägt, dann einen mit Hörnern.
Der Sportler:
Er fährt auf einem 5000-Euro-Mountainbike einen 60°-Abhang hinunter, ohne Helm, aber tief gebückt mit dem Kopf voraus. Denn der ist im Zweifelsfall entbehrlich, Hauptsache, die Klöten bleiben dran.
Der Familienvater:
Er hätte eigentlich auch lieber einen Kasten Bier dabei, aber stattdessen hocken hinten im Kinderanhänger die 3 Blagen, die er in die Welt gesetzt hat. Die wiederum prügeln sich, nässen sich ein, oder was Kinder eben sonst so tun auf langweiligen Fahrradtouren. Einen Helm muß er schon allein deshalb tragen, weil er mit seinem übergewichtigen Nachwuchs hintendran kaum von der Stelle kommt und spätestens bei der nächsten meßbaren Steigung stumpf zur Seite umfällt.
Der Liegeradfahrer hingegen:
Er hat alle diese Sorgen nicht. Bier mag er nicht, das ist ihm zu bitter, einen Helm muß er sich ohnehin schon zum Zähneputzen aufsetzen, weil er sich dank seiner Unsportlichkeit sonst verletzen würde, und Kinder hat er keine, weil Frauen sich nicht mit Liegeradfahrern fortpflanzen. Deshalb kann er auch ganz unbeschwert beim Radfahren die Genitalien vorausschicken, die braucht er ohnehin nie wieder.
Während normale Menschen ihr Fahrrad möglichst unauffällig gestalten, damit es nicht bereits nach 5 Minuten geklaut wird, montiert der Liegeradfahrer alles dran, was die Plastikindustrie hergibt: Transportbehälter in der Größe von Dixi-Klos, Wimpel in allen Variationen und natürlich Wind- und Regenschutzverkleidungen, die so aussehen, als hätte er nachts heimlich die Wasserrutsche im Erlebnisbad auseinandergebaut.
Ständig wettert er gegen den hohen Ölverbrauch auf der Welt, aber sein angeschraubtes Plastikgeraffel hat bei der Herstellung soviel Öl gekostet, daß man damit Island ein Jahr lang beheizen könnte. Und da ist seine ganze Synthetikkleidung noch gar nicht mit eingerechnet.
Wenn er gerade nicht den gesamten Radweg mit seinem Krankenfahrstuhl einnimmt, stellt er ihn aber zumindest immer so vor jedes Lokal, daß man möglichst drübersteigen muß.
Häufig stellt er auch mal zusammen mit seinen Liegeradfreunden einen ganzen Parkplatz mit seinem rollenden Plastikschrott voll, denn er tritt sicherheitshalber gern in Rudeln auf, was dadurch begründet sein mag, daß er früher auf dem Schulhof ständig verkloppt wurde.
Was ihm aber wirklich Angst macht, ist, daß Liegeräder irgendwann so richtig in Mode kommen und die Leute nicht mehr mit dem Finger auf ihn zeigen. Dann muß er sich ein noch alberneres Fortbewegungsmittel suchen.
Und wie so einer auf Inline Skates mit Nordic-Walking-Stöcken in den Händen und Zeitfahrhelm auf dem Kopf aussieht, das mag ich mir gar nicht vorstellen.
Der echte Mann:
Er fährt mit einem Hollandrad die Einbahnstraße in verkehrter Richtung entlang, einhändig, weil er mit der anderen Hand den Kasten Bier auf dem Gepäckträger festhalten muß.
Wenn er überhaupt einen Helm trägt, dann einen mit Hörnern.
Quoted for Truth
*lach*
Danke, habe herzhaft gelacht, so manchen Verkehrsteilnehmer wiedererkannt und festgestellt, dass nicht nur in Kiel solche Verrückten herumfahren, das hat mir den Abend gerettet.
Ich wische mir hier schon wieder die Lachtränen weg. Sag mal, was machst Du eigentlich beruflich?
Freut mich. :-)
Ich bin Systemadministrator.
Oder: Computerfritze, was Dir lieber ist.
Computerfritze :-).
An Dir ist ein Harald-Schmidt-Gagschreiber verloren gegangen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden!
Das ist sehr nett, danke. :-)
Du mit deinem dämlichen Auto verbrauchst wohl kein Öl.
Selten so einen dämlichen mißt gelesen. Toleranz ist dir wohl unbekannt?
solch ein unqualifizierter Artikel über Liegedreiräder ist wohl einmalig…
… fahr es mal, damit du weißt, worüber du schreibst…
Pheedor
Hahaha, super!
Ich hab mich schlapp gelacht und das, obwohl ich (bald) zur Liegerad-Gemeinde gehöre. Denn auch Liegeradfahrer haben (manchmal) Humor.
Klasse Text – schöne Klischees!
Grüße
Hynesberg
@Hynesberg: Endlich jemand, der mich versteht. Danke. :-)
Obwohl nicht alle beschriebenen Eigenschaften durchweg Klischees sind… leider.
Schönes Ding! Gut gelacht!
Gruß von einem demnächst wieder Liegerad fahrenden Familienvater, dessen Blagen nicht mehr in den Anhänger müssen …
LOL.
Sehr schön. Wenn du mal bei mir in der Nähe vorbeikommst, ich hab´ immer ´nen Bier im Kühlschrank. Und ein Trike / Dreirad zum Ausprobieren, wenn du dich traust ;-)
grüßle
Rainer
@rainer: Mach ich glatt. Sollte ich mal in die Nähe kommen, melde ich mich.