Ich habe mich gestern aufgeregt. Ich bin gut darin, mich aufzuregen, das lasse ich dann meistens auf Twitter oder auf Facebook kurz raus, und dann geht’s wieder. Manchmal hält mein Ärger aber länger, und das ist diesmal wieder der Fall.
Seit ein paar Tagen nämlich poppen in meiner Timeline wieder die Fettleibigkeitsapologeten auf. Ihre Bewegung nennt sich “Fatacceptance”, und wenn sie nur dafür kämpfen würden, dass Dicke nicht diskriminiert werden, wäre dagegen ja gar nichts zu sagen. Es muss nicht jeder schlank und sportlich sein. Soll jeder mit sich und seinem Körper glücklich werden, da sind mir auch höhere Krankenkassenbeiträge egal. Muss man sich nur mal überlegen, was die ganzen Verletzungen kosten, die verursacht werden, weil sich Kreisklassenfußballer am Wochenende mit knapp 1‰ Restalkohol auf dem Kessel gegenseitig in die Knochen grätschen.
Diese Fatacceptance-Leute aber geben sich alle Mühe, auch denjenigen, die bereits abnehmen wollen, genau das auszureden.
Ihre Argumente sind immer die gleichen:
- “So ungesund ist Übergewicht gar nicht.”
- “Das ist alles nur eine verzerrte Körperwahrnehmung.”
- “Mit Diäten kann man gar nicht dauerhaft abnehmen.”
Bei dem Bullshit ist mir gestern ein wenig die eine oder andere Ader angeschwollen.
https://twitter.com/larsreineke/status/841647278209273856
Vor drei Jahren war ich fett. Naja, mindestens dick. BMI über 30 halt. Vor drei Jahren war es praktisch undenkbar, dass ich mich darauf freue, nach Feierabend noch eine Radtour über knapp 30 km zu unternehmen. Vor drei Jahren schmerzten mir abends die Füße, ich war müde und träge. Mag ja sein, dass man das irgendwann nach Jahrzehnten Übergewicht als normal empfindet, aber es geht halt auch anders.
Seit ich mit einem BMI von unter 25 umher laufe, halte ich problemlos wesentlich längere Fußwege durch, Klamotten kaufen macht mir wieder Spaß, ich habe eine deutlich höhere Ausdauer, kann Treppen mühelos hochsteigen, habe keinen erhöhten Blutdruck und kein nächtliches Sodbrennen mehr.[1. Die Ausschusssitzungen, an denen ich noch im vergangenen Jahr teilgenommen habe, waren im 10. Stockwerk des Rathauses. Wenn ich nicht gerade erkältet war, bin da hochgelaufen, statt den Aufzug zu nehmen. Vor drei Jahren hätte ich der Sitzung danach nicht mehr folgen können.]
Mag ja sein, dass es Studien gibt, aus denen man herauslesen kann, dass leichtes[2. Haha! Als ob!] Übergewicht nicht unbedingt gesundheitsschädlich sein muss, und dass Normalgewichtige auch nicht länger leben, aber wenn mir eines klar geworden ist, dann, dass sich die Lebensqualität ohne Übergewicht drastisch erhöht.
Kann auch gut sein, dass man immer wieder auf sein Gewicht achten muss, so dass manche das Gefühl haben, immer Diät halten zu müssen. Jahrzehntelanges Fehlverhalten geht halt nicht mal eben weg, nur weil man 2 Monate auf seine Ernährung geachtet hat. Also muss ich immer wieder mal Kalorien zählen, ist halt so. Es gibt Menschen, die intuitiv schlank bleiben, ich gehöre nun mal nicht dazu, so what? Andere brauchen keinen Wecker, um morgens pünktlich aufzustehen, ich schon. Kann ich mit leben.
Was mich dabei so ärgert?
Was diese Fatacceptance-Leute da von sich geben, sobald sie von anderen hören, dass sie eine Diät angefangen haben, ist exakt das gleiche, was Raucher und andere Suchtkranke erzählen, wenn Menschen in ihrer Umgebung der Droge abschwören.
- “Sind ja nur ein paar Zigaretten am Tag.”
- “So schlimm ist Rauchen gar nicht.”
- “Mein Onkel / mein Schwager / mein Kollege / Helmut Schmidt ist auch uralt geworden.”
- “Die meisten fangen eh wieder an.”
- “Ich rauche aber gern.”
Meinetwegen kann jeder für sich selbst entscheiden, ob sie oder er übergewichtig sein möchte, aber bei dieser Art der Argumentation unterstelle ich andere Beweggründe: Sie wollen nicht die letzten Dicken (respektive “Raucher”) sein. Ich habe noch nie von jemandem gehört, der selbst erfolgreich abgenommen oder das Rauchen aufgegeben und hinterher versucht hätte, andere von genau dieser Entscheidung abzubringen. Es sind immer die, die nicht zurückgelassen werden wollen.
Und aus purem Egoismus heraus anderen, die vielleicht endlich mal den Antrieb zu einem besseren, gesünderen Leben gefunden haben, so viele Steine wie möglich in den Weg zu legen, gehört so ziemlich zum Schäbigsten, was ich mir vorstellen kann.
Meinetwegen kann jeder für sich selbst entscheiden, ob sie oder er übergewichtig sein möchte, aber bei dieser Art der Argumentation unterstelle ich andere Beweggründe: Sie wollen nicht die letzten Dicken (respektive „Raucher“) sein. Ich habe noch nie von jemandem gehört, der selbst erfolgreich abgenommen oder das Rauchen aufgegeben und hinterher versucht hätte, andere von genau dieser Entscheidung abzubringen. Es sind immer die, die nicht zurückgelassen werden wollen.
Ich denke, es ist die unbewusste Angst, dass sie ihre Lebenslüge nicht halten können. Wenn es anderen Menschen gelingt, erfolgreich abzunehmen und sich dabei (und vor allen Dingen danach) auch noch gut fühlen, können sie sich immer schlechter selber was vormachen.
Noch ein Argument: Ich habe noch nie jemanden erlebt, der dauerhaft abgenommen hat und damit irgendwie unglücklich war oder sich sein früheres Leben zurückgewünscht hätte. Aus all den Gründen, die du schreibst: Wider Sport machen können, Treppen laufen ohne außer Atem zu kommen, sich besser fühlen etc. Zu behaupten, (sehr) dick zu sein ist irgendwie besser und ok, kann man schon machen, müsste aber doch zumindest mal den Versuch gemacht haben, wie sich das anfühlt, weniger dick zu sein. Fettapologetik wäre also ok, wenn man “die andere Seite” mal ausprobiert hätte und zum Schluss gekommen wäre: dicker war schöner. Meistens dürfte aber einfach nur fehlende Veränderungsbereitschaft dahinter stecken. Insofern ist Fettapologetik: der leichte, bequeme Weg.