Im Grunde genommen bin ich ein waschechter Drinnie. Nicht den Betrieb stören, und wenn man schonmal unter Menschen muss, möglichst nicht auffallen.
Sobald ich aber die Kamera einschalte, weil ich ein Motiv entdeckt habe, fällt das fast vollständig von mir ab. Ich bin dann so fokussiert, dass ich um mich herum gar nicht registriere, ob mich dabei jemand beobachtet, oder sogar seltsam findet, was ich da mache.
Das Ausblenden der Umgebung geht manchmal so weit, dass ich mich an einer bestimmten Stelle postiere, warte, bis die richtige Person im richtigen Winkel durchs Bild läuft, und dabei gar nicht mitbekomme, dass hinter mir bereits mehrere Personen aus Höflichkeit Schlange stehen, weil sie mir nicht ins Motiv laufen wollen – sie wissen ja nicht, dass sie ggf. das Motiv sein werden.
Mit der Kamera in der Hand gehe ich oft völlig problemlos an dunkle, eher ungemütliche Orte, die ich sonst in der Regel meiden würde. Denn das ist genau die Kulisse, die ich für meine Fotos haben möchte. Das ist insbesondere der Grund, warum ich „mein“ Genre, die Street Fotografie, so liebe: Es gibt keine Ausreden, nicht fotografieren zu gehen. Was bei Landschaftsfotografie jeden Plan zunichte machen würde – zum Beispiel Regenwetter – erzeugt bei der Street Fotografie vielleicht genau die Stimmung, die das Foto am Ende perfekt macht.
Das Versinken in der Tätigkeit ist schon Grund genug, warum ich fotografiere, auch wenn ich manchmal mit leeren Händen zurückkomme bzw. erst zu Hause feststelle, dass das, was im Sucher noch vielversprechend aussah, doch nicht meinen Vorstellungen entspricht. Aber das ist nicht schlimm, das gehört dazu.
Ich will wieder mehr fotografieren. In dem Moment, in dem ich durch den Sucher schaue, werde ich zu einem anderen Menschen: Fokussierter, mutiger, mit weniger Selbstzweifel und weniger gehetzt. Und wenn am Ende mal nichts dabei herauskommt, war ich wenigstens draußen in Bewegung.