Du willst also Azubi werden

Es ist wieder soweit, ein neuer Auszubildender wird gesucht, ein Fachinformatiker soll es werden, Fachrichtung “Systemintegration”.

Das bedeutet für mich: Bewerbungen sichten, bewerten und anhand des Ergebnisses diejenigen Bewerber heraussuchen, die zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden sollen.

Das ist nicht immer eine leichte Aufgabe, insbesondere dann nicht, wenn teilweise Bewerbungen eintrudeln, die lieblos, lückenhaft und widersprüchlich sind.

Aus purem Eigennutz gibt es daher hier an dieser Stelle, sozusagen außer der Reihe, ein Paar Tips darüber, wie man sich so bewirbt, daß man beim gewünschten Ausbilder bei mir gut ankommt.

Die Kriterien

So eine Bewerbung will sorgfältig geschrieben sein, immerhin ist sie doch zunächst die einzige Methode, einen ersten Eindruck von sich zu vermitteln.

Um die Bewerber vergleichen zu können, habe ich jedoch nur wenige Kriterien zur Verfügung:

  • Äußerer Eindruck / Form der Bewerbung
  • Schulabschluß
  • Schulnoten
  • unentschuldigte Fehltage
  • Erfahrungen in dem Berufsbild
  • Bemerkungen (z.B. gute Praktikumszeugnisse etc.)
  • Gesamteindruck

Der äußere Eindruck

Kommen wir also zum ersten Kriterium, des äußeren Eindrucks der Bewerbung, davon ausgehend, daß schriftliche Unterlagen gewünscht werden.

Verwendet einen Hefter. Punkt.

Ja, hochwertigere Hefter sind teurer, das weiß ich auch, und bei Schülern sitzt das Geld wahrscheinlich auch nicht so locker, aber wenn 23 Bewerber eine richtige Mappe abgeben, und zwei begnügen sich nur mit einer durch eine Büroklammer zusammengehaltene Loseblattsammlung, welchen Eindruck macht das wohl?

Achtet auch darauf, was Eure Mitschüler für Hefter verwenden, und kauft dann einen anderen. Man muß nicht auffallen um jeden Preis, aber es sollte schon über den alten, möglicherweise wiederverwendeten Erdkundeplastikschnellhefter hinausgehen.

Ach ja: Keinen übertriebenen Design-Schnickschnack bitte, wenn es um einen Platz als Fachinformatiker geht, wir sind ja nicht bei den Mediengestaltern.

Wir suchen einen Azubi, nicht Norman Bates

Das leidige Thema “Fotos”: Seit Umsetzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes werden Fotos in der Regel nicht mehr explizit verlangt, wenn Ihr aber eines beifügt, dann doch bitte kein Psychopathenfoto, auf dem Ihr wie Klaus Kinski in die Kamera starrt. Spart nicht am falschen Ende, geht zu einem guten Fotografen.

Wenn Ihr übrigens das Foto mit einer Büroklammer so anheftet, daß alle nachfolgenden Seiten davon zusammengehalten werden, hasse ich Euch jetzt schon, weil ich das ganze dann zum Lesen auseinanderpflücken muß.

“Ich habe mich schon immer für Getränke interessiert.”

Nun zum Anschreiben: Das lese ich so gut wie nie komplett durch. Der Großteil ist wahrscheinlich entweder gelogen (“…habe ich mir schon immer gewünscht, bei Ihnen eine Ausbildung zu machen…”) oder zusammenkopiert. Ja, sowas sehe ich.

Was ich mir jedoch anschaue, sind zum einen Rechtschreib- und Grammatikfehler. Bitte, soviel Zeit muß sein, gebt das Ding irgendjemandem, zur Not Eurem Deutschlehrer, zur Korrektur.

Unterschreibt Euer Anschreiben mit vollem Namen oder zumindest “V. Nachname”. Ich habe heute tatsächlich eine Bewerbung gesehen, die mit “Vorname N.” unterschrieben war.

Und natürlich fallen mir häufig auch ungeschickte Formulierungen auf:

  • “… und ich rechne gern.”
    Ja, ich auch, und zwar mit dem Schlimmsten.
  • “… gebe ich daher meine vollständigen Bewerbungsunterlagen ab.”
    Schön wäre allerdings, wenn diese dann auch vollständig wären und nicht sämtliche Praktikumszeugnisse fehlten. Also bitte nicht einfach den Text aus der Ausschreibung hineinkopieren.
  • “Bitte lassen Sie sich durch meine schulischen Leistungen nicht abschrecken.”
    Keine Sorge, ich weiß Schulnoten schon einzuordnen. Wenn ich sehe, daß Ihr in Mathe und Informatik gut mitgemacht habt, ist mir Eure Sport-Zensur vollkommen egal.
    In diesem Fall war das Zeugnis übrigens gar nicht so schlecht, da ist sowas natürlich erst recht unnötig.

3 Jahre können eine lange Zeit werden

Ganz wichtig: Beschäftigt Euch eingehend mit dem Berufsbild. Wenn Ihr die Fachrichtung “Systemintegration” wählt, will ich nicht unbedingt wissen, ob Ihr für Euren Sportverein schonmal was in Visual Basic programmiert aber noch nie ein Netzwerk eingerichtet habt. Umgekehrt ergibt es eher einen Sinn: Wenn Ihr gerne programmiert, werdet Anwendungsentwickler, Ihr erspart Euch und uns jede Menge Ärger.

Und noch etwas: Die Ausbildungsbezeichnung ist insbesondere bei uns fast nie die gleiche wie die Berufsbezeichnung. Niemand arbeitet als “Fachinformatiker / Fachrichtung Systemintegration”, das lernt man nur. Ihr arbeitet dann später als Systemadministratoren, Netzwerktechniker oder Anwendungsbetreuer, aber ganz sicher nicht als “Fachinformatiker”.

Schulabschluß und Zeugnisse

Kommen wir zu Eurem Schulabschluß: Da ich den gerne so schnell wie möglich erkennen möchte, schreibt ihn explizit in Euren Lebenslauf. Nicht nur “Besuch der Pippi-Langstrumpf-Realschule”. Die meisten Realschulen kenne ich eh nicht, ich will wissen, wann Ihr welchen Abschluß gemacht habt / machen werdet.

Hier aber bitte auch: Nichts behaupten, was Ihr nicht belegen könnt. Wenn Ihr angebt, daß Ihr die Fachhochschulreife habt, dann muß das auch irgendwo amtlich dokumentiert sein, kann ja sonst jeder behaupten.

Wenn Ihr ein Praktikum macht, dann laßt Euch darüber auch ein Zeugnis ausstellen. Viele Betriebe haben da keinen Bock drauf, ich weiß. Dafür gibt es aber vorgefertigte Bögen, die der Aussteller nur noch anzukreuzen braucht. Das sollte eigentlich in 5 Minuten zu schaffen sein.

Der Gesamteindruck

Ein letzter Punkt ist extrem wichtig, wahrscheinlich aber schon fast zu spät, wenn Ihr Euch an eine Bewerbung setzt: Unentschuldigte Fehltage in der Schule.

Jeder ist mal krank oder läßt sich mal hängen, das ist nichts Ungewöhnliches. Aber wenn mir ein Volljähriger, der sich seine Entschuldigungen sogar selber schreiben könnte, ein Schulzeugnis vorlegt, auf dem 20 Fehltage, davon 11 unentschuldigt, draufstehen, fällt er automatisch unten durch.

Und für die Minderjährigen: Es wird ja wohl irgendwo in Eurer Region einen Arzt geben, der Euch ein Attest für ‘ne Magenverstimmung aufschreiben kann, also bitte.

Zudem solltet Ihr einigermaßen selbständig sein. Kommt um Gottes Willen nicht mit Eurer Mutter in den Ausbildungsbetrieb, es sei denn, Ihr seid minderjährig und der Ausbilder verlangt ausdrücklich, daß sie vor Ort unterschreibt.

Insbesondere den ehemaligen Realschülern, Wehrdienstleistenden und Fußballspielern unter Euch sei gesagt: Die Zeiten, in denen vorne einer steht und Euch sagt, was Ihr machen müßt, sind spätestens in der Ausbildung vorbei.

Viel Glück bei der Ausbildungsplatzsuche!

Disclaimer:

Ich übernehme keine Gewähr, daß andere Ausbilder die gleichen Ansichten und Entscheidungskriterien haben wie ich. Wenn Ihr Euch also an meine Hinweise gehalten habt, und es hat nicht geklappt: Viel Erfolg beim nächsten Mal, aber gebt mir nicht die Schuld dafür.

8 Gedanken zu “Du willst also Azubi werden

  1. Guter Artikel – bestimmt für den einen oder anderen ziemlich hilfreich. Vielleicht wird dann so manch einer beim Bewerbung-Schreiben richtig kreativ wenn sie hier lesen, was sie alles nicht schreiben sollten :)

    Einen Kritikpunkt hab ich jedoch: Als Fachinformatiker find ich es nicht gerade state of the art, seine Bewerbung in nem Hefter abzugeben. PDF per Mail oder, falls vorhanden Bewerberportal, fänd ich dann doch irgendwie besser.

  2. Deshalb ja auch: “davon ausgehend, daß schriftliche Unterlagen gewünscht werden.”

    Hauptsache, es macht einen ordentlichen Eindruck.

    Ansonsten hast Du natürlich Recht.

  3. Sehr guter Text und wirklich sehr richtig. Man glaubt es fast nicht, aber es gibt Betriebe, die suchen händeringend Azubis und finden einfach keine geeigneten Bewerber. Das ist furchtbar. Da werden dann offene Plätze einfach nicht besetzt.

    Warum ist das so? Sind viele Schulabgänger von vornherein unmotiviert? Es ist so schwierig geworden, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, da geb ich mir doch Mühe. Oder nicht?

  4. Der gesunde Menschenverstand sagt: das ist doch alles selbstverständlich, was da steht. Aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen, dass BewerberInnen für einen Fotografen-Ausbildungsplatz ein Automaten-Foto abgegeben haben! Da wundert’s mich nicht, wenn Jugendliche “über 80 Bewerbungen geschrieben” und “nur Absagen gekriegt” haben…

  5. Ich möchte mich dem Lob anschließen und ergänzen:

    Vor allen Dingen für das Anschreiben gilt der alte Spruch, wie er gaaaanz früher auf den Telefonzellen stand:
    “FASSE DICH KURZ!”
    Das ist natürlich nicht ganz einfach und jede gute Bewerbung ist ein Einzelstück, an dem viel Arbeit hängt (zumindest meiner Meinung nach).
    Vor nicht allzu langer Zeit hat sich meine Allerliebste beworben. Ihre Rücklaufquote in Sachen Vorstellungsgespräch war immer recht hoch. Das lag sicher auch an der Form der Bewerbung.
    Im Prinzip haben wir auch das beherzigt, was Du auch in Deinem Posting beschrieben hast.

    Vielleicht noch ein paar kurze Ergänzungen:
    1. Man kann den Lebenslauf auch auf die beworbene Stelle hinbügeln (Hobbies …).
    2. Man darf niemals Lügen, aber gerne ein wenig (!) übertreiben (gilt auch für das Vorstellungespräch).
    3. Wenn man ein Bild mitschickt, kann man das auch Einscannen und elektronisch in den Lebenslauf einbasteln. Ausdruck dann ggfs. im Copy-Shop. Wirkt mitunter angenehmer als die angeklebten oder angehefteten Fotos. Das sehen zwar die Fotografen nicht so gerne, aber tja …

  6. Pingback: Bodenhaftung

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