Sometimes

Maximilian Buddenbohm erwähnt seine Nachbarin, die immer wieder denselben Song von Whitney Houston hört und erinnert mich damit an eine Begebenheit aus meiner Ausbildungszeit.

Ich musste zweimal im Jahr für mehrere Wochen zum Blockunterricht in die Berufsschule nach Alfeld. Unser Ausbildungsgang zum Datenverarbeitungskaufmann war wohl nicht so populär, und so mussten alle Azubis aus Niedersachsen dahin. Einige Mitschüler wohnten für die Zeit dort in einer Pension, und wahrscheinlich wäre Hannover für alle irgendwie einfacher gewesen, aber nun. Dann eben Alfeld.

Weil ich damals kein Auto hatte, bin ich dort jeden Tag mit dem Zug hingefahren. Das war leider keine Direktverbindung, deshalb musste ich morgens um 6:30 Uhr von Hameln erst ca. 35 Minuten nach Elze fahren, dort dann 20 Minuten warten, um schließlich weitere 10-15 Minuten im Zug von Elze nach Alfeld zu verbringen. Von da aus ging’s mit dem Bus weiter zur Schule.

Das war die schnelle Verbindung auf dem Hinweg: Mit dem Fahrrad zum Bahnhof, Zug nach Elze, Zug nach Alfeld, Bus zur Schule. 

Auf dem Rückweg jedoch war die Verbindung so getaktet, dass ich um 14:00 Uhr, wenn ich mit dem Zug aus Alfeld an meinem Zwischenhalt in Elze eintraf, noch die Rücklichter des Scheißzuges sah, der soeben Richtung Hameln abgefahren war. Je. Den. Tag.

Daraufhin musste ich etwa 45 Minuten Zeit in Elze totschlagen, was mangels Infrastruktur gar nicht so leicht war. Um mir die Zeit zu vertreiben, bin ich manchmal die Bahnhofstraße hoch und wieder herunter zum Geldautomaten gelaufen und habe mir dort 20 Mark abgeholt. Oder ich kaufte irgendeine Kleinigkeit beim damals noch vorhandenen Aldi ein, bis ich irgendwann von allen gekauften Artikeln die PLU-Nummer auswendig kannte – Scannerkassen gab’s damals noch nicht. Aber ich schweife ab.

Hatte ich nun endlich um 14:45 Uhr den nachfolgenden Zug nach Hause bestiegen, fuhr dieser nicht wie auf dem Hinweg in “nur” 30 Minuten nach Hameln, sondern hielt für weitere 15 Minuten in Osterwald, weil er auf den entgegenkommenden Zug warten musste, da die Bahnstrecke dort eingleisig geführt wurde. Das war eine gewaltige Geduldsprobe, denn ich war da immerhin schon seit über 9 Stunden auf den Beinen, hatte noch nichts Vernünftiges gegessen und wollte eigentlich nur noch nach Hause. Und das jeden Tag. 

Um es einigermaßen auszuhalten, hatte ich immer einen Discman mit (für die Jüngeren unter euch: ein mobiler CD-Player) und hatte immerhin im Zug schon genug Zeit, meine Hausaufgaben zu machen.

Eines Tages jedoch ging mir kurz hinter Elze die Akkuladung aus, ich hatte keinen Ersatz dabei und so bekam ich mit, was für ein Musikstück die Person neben mir sehr laut hörte: “An Angel” von der Kelly Family.

“Sooooometiiiiiimes, I wish I were an aaaaaaaangeeeeeeel, …”

Als das Lied vorbei war, begann es von vorn.

“Sooooometiiiiiimes, …”

Und nochmal. Und nochmal. Und nochmal.

Der Zug hielt in Osterwald, also verstummte auch noch der Hintergrundlärm.

Es herrschte relative Ruhe. Bis auf den kleinen Angelo Kelly, der immer wieder “Sooooometiiiiiimes, I wish I were an aaaaaaaangeeeeeeel, …” jaulte.

Endlich setzte sich der Zug wieder in Bewegung, hielt aber kurze Zeit später in Voldagsen. Währenddessen die ganze Zeit “Sooooometiiiiiimes…”, was nur einmal übertönt wurde durch eine Durchsage, dass die Abfahrt sich heute um etwa 20 Minuten verzögern würde, es gäbe eine Signalstörung oder sowas. Auch das noch.

“Sooooometiiiiiimes, …” 

Der Zug war ziemlich voll, und so konnte ich mich auch nicht woanders hinsetzen. 

Ich bin dann ausgestiegen, habe an der B1 den Daumen rausgehalten und bin die restlichen 20 km nach Hameln per Anhalter gefahren. Wenn ich noch einmal “An Angel” von der Kelly Family hätte hören müssen, ich hätte mich wohl straffällig gemacht.

 

2 Gedanken zu “Sometimes

  1. @blog erinnert mich an meine Zeit an der Technikerschule.Der stündl. fahrende Zug von Dortmund nach Werne / Lippe traf ebendort immer zur vollen Stunde ein. Hätten wir Bahnfahrenden nicht die offizielle Erlaubnis der Schule gehabt, uns täglich morgens verspäten zu dürfen, hätte ich zum einen um 5 losgemusst, um mit dem Bus und der S-Bahn erstmal nach Dortmund zu ockeln und zum anderen hätten wir 60 Minuten bis Unterrichtsbeginn totschlagen müssen. In einem Ort mit hochgeklappten Bürgersteigen.

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