Kommentare gibt’s hier jetzt doch, was soll’s. Werden ja eh nicht so viele. Grüße an ben_.
Autor: Lars Reineke
16. Mai 2020 – nachmittags
Das war knapp gestern.
Ich war ausnahmsweise mal wieder mit dem Auto unterwegs, weil ich einige größere Besorgungen machen musste. Ich halte mich nicht für einen überragenden Autofahrer und bin eigentlich lieber auf 2 Rädern unterwegs, gerade darum fahre ich seit einiger Zeit sehr konsequent nach der StVO. Also Strich 50 in der Stadt, im Wohngebiet Strich 30 (oder langsamer), ich bleibe, wenn es sein muss, Ewigkeiten hinter Radfahrer*innen, halte dazu riesigen Seitenabstand und mache bei jedem Abbiegen einen ausgiebigen Schulterblick.
Nur gestern war ich in Gedanken. Ich stand mit dem Auto vor einer roten Ampel, an einer Einmündung auf eine Straße, die eine Kurve vollzieht. Im Scheitelpunkt der Kurve trifft die Straße, aus der ich kam, auf die Querstraße. Da ich an der Außenseite der Kurve stand, konnte ich gut in beide Richtungen schauen. Es fühlte sich also gar nicht wirklich wie Rechtsabbiegen an, als die Ampel auf grün sprang und ich losfuhr.
Das doofe war: Ich habe völlig verpeilt, dass rechts noch eine Fußgängerampel ist, an der man die Straße zu Fuß überqueren kann. Und dort stand ein erwachsener Mann, auf den ich überhaupt nicht geachtet hatte. Ich bog also ab, und bemerkte in dem Moment den Schatten an meinem Beifahrerfenster. „Ach du Scheiße,“ dachte ich noch, da war ich auch schon vorbei.
Zum Glück hatte ich bis dahin auch nur Schrittgeschwindigkeit erreicht, vielleicht ist er auch genau die richtige Sekunde später losgegangen. Wäre das ein Kind gewesen, das direkt bei grün losgerannt wäre, ich weiß nicht, was passiert wäre.
So schnell kann das gehen.
Ach, naja
15. Mai 2020 – nachmittags
Ach, ich weiß es doch auch nicht. Diese ganze Pseudonym-Nummer hat sich irgendwie falsch angefühlt, so ’ne Art Zeugenschutzprogramm für Kassenpatienten. (Markus meinte neulich zu mir, dass wir uns mit unseren Masken ohnehin alle wie Postkutschenräuber fühlen würden.)
Nachdem Marco mich nochmal auf dieses ganze Impressum-Gedöns hingewiesen und mir noch ein paar weitere Tipps gegeben hat, habe ich mich nun entschieden, doch wieder unter meinem Namen zu veröffentlichen.
Beim Schreiben die ganze Zeit „Ist das zu privat?“ zu denken ist ja dann auch nicht viel anders als „Kann ich das schreiben, ohne dass man darauf kommt, dass ich das bin?“
Also, was soll’s. Ich bin wieder ich.
13. Mai 2020 – morgens
Gestern Abend vorm Fernseher noch zwei Bier getrunken und die restliche Pfütze Salmiakki vernichtet – jetzt habe ich Kopfschmerzen.
Dank Homeschooling kommuniziere ich derzeit mit der Klassenlehrerin (Grundschule) der Tochter gelegentlich per Mail. Die ist im Umgang mit den Kindern sehr herzlich, was mich jedes Mal verunsichert, weil ich nicht weiß, welchen Stil ich in den Mails pflegen soll. So befinde ich mich ständig auf einem schmalen Grat zwischen freundlich/jovial und höflich/distanziert. Das ist ein wenig so, als würde man mit jemandem sprechen, den man eigentlich duzen würde, nun aber aufgrund der Umgebung siezen muss.
Ich weiß noch, wie mein Vater mir ausnahmsweise mal eine Entschuldigung für die Schule geschrieben hat, sonst hatte das immer meiner Mutter übernommen. Er war alles andere als ungebildet, kam aber aus einfachen Verhältnissen.
Er wollte sich wohl besonders gewählt ausdrücken und schrieb: „Mein Sohn konnte am gestrigen Dienstag nicht zum Unterricht erscheinen, da er an Unwohlsein litt.“
Das war mir entsetzlich peinlich.
