Es geht nicht um die eine Autofahrt

Christopher Lauer hat am Wochenende das getan, was er gut kann, er hat provoziert. Auf Twitter schrieb er:

Ich, Stadtmensch, fahre an guten Tagen 20-30 km mit dem Rad durch die Stadt. Deutsche Dorfkartoffeln: „OhNe AuTo iSt mAn AuF dEm DoRF aUfGeScHmIsSeN.“

Das “Dorfkartoffeln” war dem Diskussionsklima logischerweise nicht sehr zuträglich, aber die Prognose stimmte: Alle Welt fing plötzlich an, sich zu rechtfertigen, warum man auf dem Dorf ein Auto brauche. Der spezielle Spezialarzt, der 50 Kilometer entfernt ist. Die Kinder müssen zur Schule. Lauter Schwerlastverkehr. Keine Radwege. Keine Busse. Und es regnet ja auch ständig. Alles maximal schlimm. Klar.

Aber gehen wir doch einfach mal hypothetisch davon aus, die Städte würden plötzlich konsequent genau die Maßnahmen umsetzen, die Verkehrs- und Umweltwissenschaftler seit langem fordern. Die Innenstädte wären autofrei. Vor der Schule darf nicht mehr geparkt werden. Parken in der Stadt kostet generell das drei- bis vierfache. Diesel-Fahrverbote für besonders belastete Straßen. Was dann?

Würde dann nicht zumindest ein Teil der (bisherigen) Mit-dem-Auto-in-die-Stadt-Pendler*innen fordern, dass dann doch bitte bessere Busverbindungen eingerichtet werden? Dass Radwege auch über Land gebaut werden? Dass es einen funktionierenden Park&Ride-Verkehr gibt?

Warum passiert das jetzt nicht? Solidarisiert euch doch mal, Dorfbewohner.

Denn genau das sehe ich zumindest in unserer Region nirgends. In den Vorgärten auf den Dörfern sehe ich immer nur Transparente, auf denen “Umgehungsstraße, jetzt” und “Kein Ausbau der Bahnstrecke!” steht. Der Verkehr soll weg, wohin ist egal, nur nicht vor die Tür. Weniger Auto fahren will man aber auch nicht. Im Dorf ist es dann ruhiger, logisch, aber was ist mit dem Nicht-Dorf?

Geht  doch einfach mal zu einer Pro-Umgehungsstraßen-Bürgerinitiative auf dem Land und schlagt vor, statt den teuren Straßenausbau zu finanzieren, soll man das Geld lieber in einen 60-Minuten-Bustakt und einen gut ausgebauten Radweg stecken. Für die Sicherheit der Kinder und den Erhalt der Umwelt. Viel Spaß beim Verlauf des restlichen Abends.

Als ich im Sommer auf einem Festival in den Niederlanden war, fand das sinnvollerweise nicht mitten im Ort sondern draußen auf dem Land, knapp 9 Kilometer vom nächsten Ort entfernt, statt. Man konnte mit dem ganz regulären Linienbus alle 60 Minuten hin- und zurückfahren. Bis nachts um 1 Uhr. Verrückte Holländer.

Um es klar zu sagen: Es geht nicht um die eine Autofahrt, weil es regnet, weil die Kinder nachts von der Party abgeholt werden müssen, oder weil man einen Kofferraum Grünschnitt abzutransportieren hat.

Es geht darum, in völliger Selbstverständlichkeit jede Strecke mit dem Auto zurückzulegen und nichts, aber auch gar nichts an dieser Situation verändern zu wollen. Es gibt schließlich keinen Grund, das Auto steht ja vor der Tür.

Wenn ihr auf dem Land wohnt, macht doch einfach mal das Experiment und überlegt euch, wie ihr zur Arbeit, zum Einkaufen oder zur Schule kommen würdet, wenn ihr 30 Tage lang nicht mit dem Auto fahren könntet. Und was ihr für politische Forderungen daraus ableiten würdet.

Und dann plakatiert das doch mal in euren Vorgärten.

Ich bin übrigens in meiner gesamten 13jährigen Schulzeit nicht ein einziges Mal mit dem Auto gebracht worden. Wir hatten schlicht keines. In meinem ersten Schuljahr wohnten wir auf dem Dorf. Alle Kinder fuhren mit dem Bus zur Schule. Wie auch sonst?

 

Teilzeit-Vegetarier

Jetzt ist es schon fast ein halbes Jahr her, als ich mich entschieden hatte, den Fleischkonsum weitestgehend zu reduzieren.

Zwischenfazit: So schwer ist es gar nicht.

Trotzdem habe ich vor kurzem beschlossen, nicht vollständig Vegetarier werden bzw. bleiben zu wollen. Es gibt einige Gerichte, die ich einfach zu gerne esse, als dass ich darauf vollständig verzichten möchte.

Im Wesentlichen geht es mir um die Vermeidung von Massentierhaltung, daher finde ich es persönlich vertretbar, hin und wieder Fleisch auf dem Wochenmarkt beim Bio-Bauern zu kaufen. Das ist dann zwar sehr teuer (1 kg Gulasch für 25 Euro), aber das lohnt sich dann auch, und ich finde, der Preis spiegelt den Wert wieder, den Fleisch eigentlich haben sollte.

Außerdem werde ich in meinem Vegetarismus Ausnahmen zulassen, wenn ich im Restaurant essen gehe und nur wenig Mitsprachemöglichkeiten bei der Auswahl des Lokals habe. Das betrifft hauptsächlich Dienstreisen oder Feiern, wo ich das eine oder andere Mal bereits vom fleischlosen Angebot des Restaurants eher unterwältigt war und dann ehrlich gesagt auch keine Lust habe, als einziger nur eine Portion Pommes oder einen Salat zu essen.

Ansonsten bin ich durch viel Herumprobieren auf echt leckere Alternativen zu Fleischprodukten gestoßen, so dass ich mittlerweile der Ansicht bin, dass sich alles, was irgendwie mit Hackfleisch zu tun hat, problemlos durch vegetarische oder sogar vegane Produkte ersetzen lässt. Da bin ich auch wirklich dankbar dafür, dass beispielsweise Lidl auf den Zug aufgesprungen ist und ständig neue vegane Alternativen auf den Markt wirft.

Im Alltag lebe ich nun nahezu fleischlos und komme damit gut zurecht.

Insgesamt komme ich so auf vielleicht 200 – 500 Gramm Fleisch im Monat, und das kann ich nicht nur vor meinem ökologischen, sondern auch vor meinem ethischen Gewissen verantworten.

 

De-facto-Vegetarier

Nicht erst seit #FridaysForFuture mache ich mir so meine Gedanken, wie ich meinen CO2-Fußabdruck verringern kann.

Was Mobilität angeht, ist bei mir eigentlich nicht mehr viel zu machen. Ich fahre höchst selten mit dem Auto, bin in meinem Leben drei Mal geflogen (davon nur ein Mal privat), und wenn ich es aus dienstlichen Gründen doch tun muss, dann kompensiere ich das aus meiner eigenen Tasche bei atmosfair.de.

Unser Familienauto ist noch ganz gut in Schuss, daher kommt die Anschaffung eines Elektroautos derzeit nicht in Frage. Mein Motorrad wird so selten bewegt, das fällt eigentlich auch kaum ins Gewicht. Bessere Gebäudedämmung oder eine Solaranlage wäre mal überlegenswert, aber das muss ich erstmal durchrechnen.

Bleiben also vor allem meine Ernährungsgewohnheiten. Und da geht echt noch was. Zumindest in Form von Wurst oder Aufschnitt aufs Brot habe ich nahezu täglich Fleisch gegessen. Aus Gründen der Gewichtskontrolle habe ich in den letzten Jahren insbesondere sehr viel Geflügel zu mir genommen.

Tja, und vor 11 Tagen habe ich abends im Urlaub einen kurzen Bericht gesehen, wie wir eigentlich mit Vögeln, die wir essen, umgehen. Und da fiel dann mein Entschluss, dass das so nicht mehr weitergeht. Ich meine, ernsthaft, wir schreddern Küken? Wie scheiße sind wir Menschen eigentlich?

Seit 10 Tagen bin ich also nun De-Facto-Vegetarier. Soll heißen: Ich nehme seitdem kein Fleisch mehr zu mir. (Eier und Milch schon, da achte ich aber auf Bio-Produkte.)

“De facto” deshalb, weil ich das Vegetariersein noch nicht vollständig verinnerlicht habe. Ich fühle mich noch nicht als Vegetarier und weiß auch noch nicht, ob ich mich als solchen bezeichnen kann. Keine Ahnung, ob das irgendwann von alleine kommt oder ob das auch nochmal einen aktiven Entscheidungsprozess erfordert.

Zunächst hatte ich noch angekündigt, nicht vollständig auf Fleisch verzichten zu wollen, aber je länger ich das jetzt mache, desto eher tendiere ich derzeit dazu, den Fleischkonsum grundsätzlich aufzugeben, zumal sich bisher auch kein Gefühl des Verzichtenmüssens eingestellt hat. (Aber fragt mich das nochmal, wenn ich das nächste Mal nach einer Kneipentour vorm Dönerladen stehe.)

Ziemlich klar ist für mich jedenfalls, dass ich, wenn ich nochmal Fleisch esse, sichergehen will, dass das Tier artgerecht gehalten wurde. Und wenn das dann mehr kostet, ist das eben so.

Im Moment probiere ich viel herum und habe mir einen ganzen Stapel vegetarischer und veganer Kochbücher aus der Stadtbücherei ausgeliehen. Es gibt außerdem heutzutage so viele wirklich gut schmeckende Ersatzprodukte, die Fleischessern einen sanften Übergang zu vegetarischer Ernährung ermöglichen, dass ich eigentlich nicht viel vermisse. Vielleicht trage ich mal ein paar Empfehlungen zusammen.

Außerdem lese ich gerade “Tiere essen” von Jonathan Safran Foer, worin er sehr spannend und detailreich beschreibt, welche Auswirkungen insbesondere unsere industrielle Tierhaltung mit sich bringt. Wenn man sich gerade nach einem großen Steak aufs Sofa rollt, ist man ja schon geneigt, die Nebenwirkungen aktiv zu vergessen.

Ansonsten bin ich da undogmatisch: Ich brauche weder einen separaten Grill, noch habe ich vor, anderen Leuten das Fleischessen zu verderben.

Kaum etwas finde ich unsympathischer als Hardcore-Vegetarier, die keine Gelegenheit verstreichen lassen, anderen ihre vermeintliche moralische Überlegenheit reinzudrücken und ständig von “Leichenteilen” oder ähnlichem sprechen.

Aber davon gibt’s in meinem Umfeld zum Glück kaum jemanden, da war ich insbesondere von den Grünen überrascht, die nie versucht haben, mich dahingehend zu missionieren.

Da finde ich zum Beispiel überzeugte Fahrradhelmträger deutlich anstrengender.

Sollte ich irgendwem damit auf die Nerven gehen, bitte ich jetzt schon mal um Entschuldigung. Aber nach 45 Jahren die Ernährung grundlegend umzustellen, ist einfach ein so zentrales Ereignis im Leben, dass ich da selbstverständlich von erzählen muss. Andere erzählen jedem, dass sie sich neue Schuhe gekauft haben, also bitte.

30 Tage ohne Social Media (naja, weitestgehend)

Aus einer Laune heraus habe ich beschlossen, eine Weile mit meinen privaten Accounts auf SocialMedia-Dienste zu verzichten.

Mir ist immer häufiger aufgefallen, dass ich eigentlich gerade zum Beispiel ein Buch lesen möchte und zwischendurch nach ein paar Seiten immer wieder aufs Smartphone gucke. Obwohl ich da gar nichts Besonderes nachzuschauen habe.

Die ständige Ablenkung sorgt dafür, dass ich mich nicht dauerhaft auf eine Aufgabe oder einen Text konzentrieren kann, und da muss ich mal gegensteuern.

Außerdem erwische ich mich ab und zu dabei, dass ich mich über Leute aufrege, die ich nicht kenne, weil sie Dinge posten, die mich nichts angehen.

Also habe ich zunächst folgende Maßnahmen getroffen:

  • Alle SocialMedia-Apps von der Startseite des iPhones nach hinten in einen Ordner geschoben. Das betrifft Twitter, Instagram und natürlich Facebook.
  • Alle Benachrichtigungen ausgeschaltet, bis auf diejenigen, bei denen echte Personen mich kontaktieren wollen, also Messenger-Apps wie zum Beispiel Threema, Signal, iMessage etc. Darüber bleibe ich auch weiterhin erreichbar.
  • Alle entsprechenden Lesezeichen im Browser bzw. Programm-Icons aus dem unmittelbaren Blickfeld entfernt.

Da ich nun aber gerade vor kurzem erst eine Facebook-Seite für meine ehrenamtliche Tätigkeit als städtischer Fahrradbeauftragter eingerichtet habe, wäre es ziemlich widersinnig, die Seite jetzt ebenfalls pausieren zu lassen.

Dieses Dilemma versuche ich aber zu lösen, indem ich eine Chrome-Erweiterung installiert habe, die den Newsfeed auf der Facebook-Webseite ausblendet. So kann ich gezielt als Fahrradbeauftragter posten und kriege trotzdem nicht die ablenkende Timeline angezeigt.

Ich mache das jetzt seit zwei bis drei Tagen so (mit 1-2 Ausnahmen ganz am Anfang) und will das insgesamt 30 Tage lang probieren.

Aus reiner Gewohnheit geht der Griff natürlich nach wie vor zum iPhone, um dann festzustellen, dass ich ja gerade gar nichts auf dem iPhone zu tun habe. Mal gucken, wann das aufhört.

Die ersten Effekte haben sich bereits eingestellt:

  • Mein Feed-Reader ist fast leer.
  • Ich kenne jetzt bereits die komplette Wettervorhersage der nächsten fünf Tage.
  • Meine Liste noch zu lesender Bücher wird immer länger.

Ich bin mal gespannt, ob sich irgendwann das Gefühl einstellt, etwas zu verpassen oder ob genau das eben nicht eintritt. Ob ich das wirklich bis zum Ende durchziehe, wird sich zeigen, und was danach passiert, weiß ich auch noch nicht.

Aber dieser ständige, reflexhafte Griff zum Smartphone soll erstmal aufhören.